Wie oft im Leben habe ich bereits gedacht, dass ich einen Neuanfang gewagt habe! Und doch war es eher ein Hin- und Herschieben der alten Muster und Gewohnheiten von einer inneren Ecke in die andere. Manches Mal war es sogar ein mehr oder weniger gründliches Auskehren meiner Lebensräume, aber ohne jedoch zu wagen, diese tatsächlich zu verlassen.
Doch nun ist es soweit. Ich verlasse das Gewohnte, lasse Vertrautes los und wage den Schritt ins Unbekannte. Ich verabschiede mich, um endlich wirklich neu anzufangen.
Geliebtes und Gewohntes loszulassen tut höllisch weh. Es ist kein Spaziergang alla: jetzt lass ich einfach mal eben alles hinter mir und starte noch mal neu durch. Jedenfalls nicht für mich. Doch manchmal muss es einfach sein, dieses brutale Herausreißen aus eingefahrenen Lebensmustern und Lebensräumen.
Denn in den letzten zwei Jahren habe ich gemerkt, dass ich mich in meinem Leben immer mehr in eine Sackgasse rein manövriert hatte. Erst ignorierte ich dies, wollte das „Dead-End-Schild“ nicht sehen!
Doch als ich dann direkt davor stand, ging es nicht anders und ich versuchte vorerst, das Gefühl zu ändern, dass es immer freudloser, fader und vor allem enger und unfreier in mir geworden war. Doch mit all meinen Maßnahmen und Bemühungen drehte ich mich doch nur mehr oder weniger im Kreis meiner wohleingerichteten Komfortzone.
Ich denke, alles fängt mit radikaler Ehrlichkeit an, vor allem sich selbst gegenüber. Also begann ich mit schonungslosem Hinschauen. Den Blick nun nach innen gerichtet, entstanden innere Räume, in denen Fragen sein durften wie: Warum ist das alles so? Warum fühlt es sich nicht richtig an? Nicht die ersehnten hundert Prozent? Warum die tausendste Variante dieser Erfahrung des Gefühls nicht gut genug zu sein, unter dem Radar zu bleiben, nicht das eigene volle Potential zu leben?
Sich diesen Fragen ehrlich zu stellen, verändert viel. Und weißt du, es geht ja um nichts Geringeres als um DEIN LEBEN. Und um meins. Auf die Verlängerung nach der zweiten Halbzeit können wir nicht bauen. Wann denn leben, wenn nicht JETZT?!
Auch ich habe das hundertmal gelesen und gedacht: ja, ja. Ich bin doch noch jung, ich habe noch Zeit. Aber wer weiß das schon so genau?
Nach der Ehrlichkeit kommt die Annahme dessen, was ist. Das, was sich im Spotlight des ehrlichen inneren Dialogs gezeigt hat, möchte anerkannt und angenommen werden.
Hier darf man einen Moment verweilen und sich ausruhen, denn Ehrlichkeit kann schon ein scharfes Messer sein und Wunden wollen verarztet werden.
Indem ich (erstmal) annehme, was gerade ist, löse ich den festen Griff des Ich-muss-das-jetzt-unbedingt-und-sofort-ändern. Ich darf in Ruhe nach Lösungen Ausschau halten., darf auf innere Führung vertrauen.
Und dann tauchen sie nach und nach auf: die Erkenntnisse. Denn in diesem spannungsfreien Zustand der Annahme entstehen neue Räume. Die Themen des Lebens sind weiterhin da, aber alles entkrampft sich. Und der Blick wird klarer. Klarheit ist wichtig, um Entscheidungen zu treffen und um dann das Nötige loslassen zu können.
Der innere Abschied, das Loslassen von den alten gewohnten Mustern beginnt weit vor dem äußeren Abschied. Manchmal leben wir auch in Beziehungen und Freundschaften unsere gewohnten Muster in allen bunten Nuancen immer und immer wieder aufs Neue. Weil wir eben so sind. Doch das fühlt sich für mich unfrei an! Ich merkte, so kann es nicht mehr weitergehen. Es nahm mir buchstäblich die Luft zum Atmen.
Ich weiß, dass es einigen Menschen sehr weh tut, dass ich mich verabschiede und weggehe. Ich spüre ihren Schmerz. Und lasst euch bitte sagen: ich fühle diesen Schmerz auch. Auch wenn ich die Entscheidung getroffen habe, diesen Schritt zu wagen, bin ich davon doch nicht befreit!
Aber erstens bin ich nicht „aus der Welt“, sondern nur ein paar Flugstunden entfernt und zweitens bedeutet jemanden zu lieben für mich, ihm oder ihr das Beste zu wünschen, dass er oder sie glücklich, frei und lebendig ist.
Abschiede können sehr schwer fallen, können mega weh tun, können tief emotional sein. Aber hey. Da müssen wir durch. Wenn jemand geht, dann verabschiedet man sich. Auch wenn es mich innerlich zerreißt, stelle ich mich dem, weil ich letztlich weiß: ich bin Mensch. Ich fühle. Ich liebe. Ich lasse los und beginne neu.
Einen Neufang gönne ich jedem, der ihn sich wünscht. Weil ich weiß, wie dringend, ja wie lebensnot-wendig das sein kann. Und weil ich darauf vertraue, dass das, was ich liebe, niemals verloren gehen kann. Liebe ist kein Hollywood Gefühl, sondern ein Zustand im Inneren unseres Seins.
Und nun möchte ich enden für heute mit ein paar Lieblingszeilen des berühmten Hermann Hesse:
🌸 „Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und zum Neubeginn, um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in andere, neue Bindungen zu geben.“
🌸 „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.“
🌸 „Wir wollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen, der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stufe um Stufe heben, weiten.“
🌸 „Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen, nur wer bereit zu Aufbruch ist und zur Reise,
mag lähmender Gewöhnung sich entziehen.“
🌸 „Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde uns neuen Räumen jung entgegen senden:“
🌸 „Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden … Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“
Ich nehme nun Abschied wohlwissend, dass nichts Geliebtes verloren geht. Und ich fange neu an, im Vertrauen und in der Zuversicht, endlich meine Hundertprozent zu finden und zu leben.